Portrait

Pierre Hermé: Appetit auf Innovation

Vor ihm waren bereits vier Generationen Bäcker in Colmar und auch er war sich bereits in jungen Jahren sicher: Er wird ebenfalls Kuchen backen. Portrait eines Mannes aus dem Osten, um den uns die ganze Welt beneidet.

Seine Antworten sind wie Desserts: einfach, aber präzise, voller Leidenschaft und Köstlichkeiten. Es läuft einem schon das Wasser im Munde zusammen, wenn er nur über einige seiner aktuellen Kreationen oder Inspirationen spricht. 
Alles sieht so einfach aus... Aber lassen Sie sich nicht täuschen, hinter dieser Gutmütigkeit verbirgt sich ein lebendes Geschmacksregister, ein Atlas der Würzen, ein verehrter Meister der Verbindungen, die ins Schwarze treffen. Die Suche nach der Geschmacksalchemie im Dienste roher Emotionen.

Denn hier wird nichts dem Zufall überlassen. Er unterzieht seine Kreationen einer intellektuellen Betrachtung, bevor er sie aufs Papier bringt. Er entwickelt „Geschmacksarchitektur“: 
Schlemmerei auf ihrem Höhepunkt. Nicht überraschend, wenn man weiß, dass die Feinbäckerei Pierre Hermé im Blut liegt. Er bringt auch mit Vergnügen einige Kindheitserinnerungen auf, darunter die mit der Zwetschgentarte seines Papas, wobei er nebenbei einige Tipps gibt, wie sie unvergesslich wird...

Zwar schaut er gern zurück; noch lieber aber ergeht er sich in den aktuellen Antrieben für seine Schöpfungen. Denn Pierre Hermé ist ein Mann, der entschieden die Zukunft im Blick hat und ganz spontan erklärt: „Das ständige Infragestellen ist Teil meiner Arbeitsweise.“ Seine Arbeit lebt von seinen Entdeckungen, seinen Gelüsten, seinen Begegnungen: Alles inspiriert ihn. Er denkt unablässig über Verbesserungspotenzial, Differenzierungsmöglichkeiten und neue Wege nach. Und wenn man ihm sagt, er sei doch ständig auf der Suche, ist seine Antwort eindeutig: „Ich suche nicht, 
ich finde.“

Aber all diese „Fundstücke“ sind nicht nur eine Talentfrage. Denn wenn es eine Zeit im Leben des Konditors gibt, die ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist, ist dies seine Berufsausbildung (die er an der Seite von Gaston Lenôtre in Paris verbrachte): eine zentrale Zeit für das Erlernen und Beherrschen des Berufs. Eine Zeit, in der Leidenschaft, Arbeit und Gründlichkeit Bedeutung eingehaucht wird. „Man sagt oft, dass die Leute aus dem Osten entschlossen und ernst sind, und ich gebe zu, dass ich mich in dieser Definition voll und ganz wiederfinde“, fügt er schmunzelnd hinzu. Und merkt unwillig an: _„Man muss die Dinge so machen, dass es sich richtig anfühlt, immer.“

Arbeit also, ja, aber auch viel Instinkt. Das sind in der aktuellen Zeit zwei ganz besonders wichtige Stärken. Denn wenn man mit ihm über die Krise redet, denkt Pierre Hermé selbstverständlich an all die kleinen Handwerksbetriebe im Grand Est und ermutigt sie, auf Kurs zu bleiben, weiter entschlossen und flexibel zu sein. „Die Konditoren, Köche und Erzeuger aus dem Osten Frankreichs liegen mir besonders am Herzen.“ Christine Ferber, Marc Haeberlin, Thierry Mulhaupt... Mit einigen von ihnen ist er befreundet, mitunter bereits seit vielen Jahren. Und er nutzt bei seinen zahllosen Reisen ins Elsass (die Manufaktur für Macarons, Schokoladen und Kuchen der Maison Pierre Hermé steht in Wittenheim) immer die Gelegenheit, kurz vorbeizuschauen.

Der Konditor hat dafür gesorgt, dass uns das Wasser im Munde zusammenläuft. Aber nicht nur das. Auf etwas sind wir auch ein klitzekleines Bisschen stolz: dass der, den die Japaner mehr anhimmeln als einen Rockstar, dass der, der 2016 als weltbester Konditor ausgezeichnet wurde, dass der, den man manchmal den Picasso der Feinbäckerei nennt... einer von uns ist. Kurzum: Auch wenn er regelmäßig um die Welt und von einer Himmelsrichtung in die andere jettet, ist Pierre Hermé eindeutig ein Mann des Grand Est.

„Die Konditoren, Köche und Erzeuger aus dem Osten Frankreichs liegen mir besonders am Herzen.“